Fu** Loslassen


Loslassen ist ein Modewort geworden, genau wie Minimalismus. Wer hip ist, der kann all seinen Besitz in einen Koffer packen und ist leicht und frei. Unzählige schlaue Zitate wabern durch´s Netz – manchmal finde ich sie ansprechend, oft auch nicht! Ich beobachte, dass sich dieser Loslassendrang bei manchen fast zwanghaft entwickelt. Alles Überflüssige loslassen!

Ich gestehe: Ich mag auch Festhalten, an schönen Beziehungen, und ich mag auch Zeugs, … Keine „Adressbuchleichen“ und keine Stehrümchen. Was ich mag sind Lieblingssachen. Ich frage mich regelmäßig, ob ein Ding noch in meinem Leben sein soll, oder auch nicht. Gleiches gilt für Menschen: Wer mir wichtig ist…

Aber Jedem, was er braucht (oder eben auch nicht braucht)! Und das ist kein Plädoyer für unnützen Konsum!!

Dennoch kann ich loslassen, wegschmeißen, mich entlasten, Luft schaffen und habe viel Freude daran. Freiwillig, ich entscheide!

Aber es gibt auch ein Loslassen, das zerreisst mich fast. Menschen loslassen, weil sie einfach nicht mehr da sind! Der eigene Kummer ist schon schlimm. Das Mitgefühl für die noch Näherstehenden fast unerträglich. Das ist unfreiwillig! Das ist unfassbar! Das ist Fu**! In diesem Jahr schon zwei wunderbare Menschen aus meiner Welt, viel zu früh, völlig sinnlos. Fu**!

Aus eigener Erfahrung, mein Vater ist ebenfalls viel zu früh verstorben, kenne ich den Wunsch nach Festhalten: Schöne Erinnerungen, bloß nicht vergessen… den geliebten Menschen in der Erinnerung lebendig halten… Aber ich weiß auch um das kraftspendende „den Gedanken mal loslassen“. Aussteigen aus den zermürbenden, fast unerträglichen, kreisenden Gedanken. Das ist Loslassen und das bedarf eines Trainings. Und es braucht auch Mut: Den Mut, in schlimmen Situationen sich so viel Selbstfürsorge zu „gönnen“, auch mal aus dem Gedankenkarussell  auszusteigen, ohne das als Vergessen oder Untreue zu empfinden. Immer mal wieder, im Hier und Jetzt. Und das, ohne auch nur im Ansatz etwas Wertvolles zu opfern oder zu verlieren, stattdessen aber Kraft schöpfen.

Das Brechtzitat: „Wenn ein Freund weggeht, muß man die Türe schließen sonst wird es kalt“, interpretiere ich genau so. Das Endgültige irgendwann anerkennen und die Kraft haben, sich an schönen Erinnerungen zu wärmen.


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