Rossmucken

Foto von Erhard Bigalke

Foto von Erhard Bigalke

„Schau doch nicht so böse“, wie oft habe ich das in meinem Leben schon gehört. „Du kommst aber manchmal ernst rüber“, auch das höre ich immer wieder. Es liegt wahrscheinlich an zwei Umständen. Zum einen konzentriere ich mich wirklich oft, zum anderen habe ich zwei Denkerfalten über der Nase, die sich einen festen Platz in meinem Gesicht gesucht haben. Die habe ich im Prinzip schon immer. Beweisfotos gibt es, da ist die zweijährige Kleinkindpetra mit Windelpopo und zwei deutlichen Denkerfalten zu sehen.

Wenn ich mal den Hautarzt wechsele oder mir eine Kosmetikbehandlung gönne, dann kommt er garantiert, der Satz: Sie haben gute Haut und gegen diese Falten könnte man etwas machen, das würde Sie jünger aussehen lassen.

Jünger aussehen klingt zwar sehr verführerisch, aber ich lehne stets ab, noch ohne ernsthaft zu zucken.  Auch hier wieder aus zwei Gründen: Bisher ist es mir wichtig, mich dem Leben zu stellen. Nein, nicht mit jeder Unverschämtheit, die es so mit sich bringt, finde ich mich ab. So lasse ich meine strassenköterfarbenen Haare aufhübschen, schminke mich auch, also ich pflege mich, so gut ich kann. Aber diese Falten habe ich mir irgendwie verdient – klingt vielleicht albern – aber so empfinde ich es. Ich habe viel gelacht und viel, viel konzentrierte Zeit mit Denken und Schreiben verbracht. Ich habe meinen Gegenüber intensiv zugehört. Ich habe mich ernsthaft mit den Themen der Welt beschäftigt. Meine Stirn scheint meinen Vertiefungsmodus zu unterstützen. Gerade habe ich gelesen, dass Deep Work die neue Supermacht des 21. Jahrhunderts sei. Also!!! Denkerfalten für Superkräfte.

Nein im Ernst, sie gehören zu mir, zu meiner Identität, und das ist dann der zweite Grund. Ich würde einen Teil von mir wegmachen lassen. Hirn und Hand stelle ich ja auch nicht zur Disposition, die gehören ja auch zu mir.

Wenn ich Celebrities in Hochglanzmagazinen anschaue, die mit 70 noch aussehen, wie ich mit 40 nicht mehr aussah – zumindest im Gesicht. Hände sind da ja gemeiner. Die lassen sich offenbar schwieriger aufpimpen. Auch eine yogagestählte Madonna mit alterslosem Gesicht… irgendwann fing eine Kamera mal ihre Hände ein… gemein! Oder Jane Fonda, mit über 80… einen Blick auf ihre ungeschminkten Hände habe ich nie gehabt.

Aber ich habe mit den Händen auch gekämpft. Diese Punkte, die da irgendwann auftauchten, was für eine Zumutung! Neulich sagte mein schlauer Lieblingsmensch etwas sehr Nettes. Ihm sei aufgefallen, dass meine früheren Sommersprossen einfach den Platz gewechselt hätten. Von der Nase auf die Hände. „Rossmucken“, so werden sie wohl im Süden genannt, sind doch sympathisch. Und bei Einer, die viel Pippi Langstrumpf in sich trägt, brauchen diese Punkte halt mehr Platz, um richtig schön sichtbar zu sein.

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