Heroes

Foto von Gunther Martin

Foto von Gunther Martin

Ich erinnere mich noch gut an das Lebensgefühl der Abizeit: Endlich die blöde Schule vorbei, auf dem Sprung in das große Irgendwas. Der Abiball als eine Firmate zwischen Vergangenheit und Zukunft. Das Alte ist vorbei, das Neue hat noch nicht begonnen. Der Abiball als das große emotionale Fest im Hier- und- Jetzt. Wahrscheinlich habe ich mich meinen Mitschülern nie verbundener gefühlt, als an jenem Abend. Dieses Gefühl, Teil einer Gruppe, Teil eines großen Ganzen zu sein, das war nie so intensiv, wie an jenem Abend. Dieses Abifest war so etwas wie der Übergang: Vom Alten ins Neue… vom geschützten Kokon ins …. ja, in die unendlichen Möglichkeiten. Der Song, der in meinem Kopf sofort tönt, und der unser damaliges Lebensgefühl am besten beschreibt, das ist „Heroes“ von David Bowie. I will be King. And you will be Queen… Wir waren alle Helden – die, mit den unendlichen Möglichkeiten, faltenfrei und hungrig auf´s Leben.

„Gruppe“ ist dann schnell vorbei. Aus dem „Abijahrgang 19irgendwas“ werden schnell x eigene Lebensläufe, die sich unverbunden entwickeln. Was teilt man schon, als den gleichen Schulstempel auf dem alten Zeugnis. Aber es gibt doch immer wieder das Bedürfnis den Versuch zu wagen, das Alte aufleben zu lassen – Ehemaligentreffen. Für manche ein toller Anlass, für andere eine Last. Ich habe viel darüber nachgedacht, was dieses Zusammenkommen so ambivalent macht: Ist es der Spiegel des Alterns, in den jeder unweigerlich schauen muss? Ist es der Zahn der Zeit, der an dem Einen oder der Anderen milder oder auch heftiger nagte? 35 Jahre gehen jedoch an niemandem spurlos vorbei, das ist ja auch gut, denn gelebtes Leben darf doch auch seine Spuren zeigen. Wer will mit über 50 aussehen, wie ein niedlicher Abiturient? Gleichzeitig ist wahrscheinlich ein weit verbreiteter Wunsch da, möglichst gut rüberzukommen, beim unvermeidbaren Vergleich nicht zu schlecht abzuschneiden. Da zählen natürlich nicht nur das Aussehen, sondern auch das Erreichte oder die Zuschreibung dessen, manchmal anstrengend im Stile von „Mein Haus, meine Pferdepflegerin“ ausgetragen.

Alle starteten vom gleichen Ausgangspunkt aus, mit einem (angeblichen) Reifezeugnis in der Tasche. Und dann passiert Leben. Aus den „unendlichen Möglichkeiten“ werden recht bald Endliche. Manche haben zugegriffen und Chancen realisiert, andere haben Träume geopfert, oder gar nicht erst in Angriff genommen. Manche scheinen zufrieden, andere einsam, cool, unauthentisch, vital oder kränklich… So ist Leben, manchmal ist es eine Entzauberung der alten Hymne „We can be heroes…“

Und dann gibt es sie doch, die überraschenden Momente, dann, wenn Menschen dort sind, die man völlig aus dem Auge verloren hatte, deren Leben mit dem eigenen in den letzten Jahrzehnten wenig Schnittpunkte hatten. Sehen, lächeln und Zack, an die Verbundenheit von früher lässt sich unmittelbar anknüpfen. Die ganze hohle Vergleicherei ist unerheblich, was zählt ist nur das echte Interesse aneinander, im Hier und Jetzt.

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