Lernen durch Verlust

Foto von Gunther Martin

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Ich wollte Journalistin werden, ja das wollte ich. Schreiben gefiel mir, die Worte flossen mir stets leicht aus der Feder. So wollte ich nie Fernsehfrau werden, sondern schreiben, natürlich für eine tolle Zeitung. Die ZEIT, der Spiegel… genau das waren die Blätter, die mich reizten. Was mir aber ehrlich gesagt auch gefiel, war das innere Bild, was ich von mir als Journalistin hatte: Durch die Welt reisend, dahin, wo was los ist. Mit staubigen Boots und einer extrem lässigen, angeranzten Ledertasche. Ich würde interessante Menschen kennenlernen und selbstverständlich würde man auch mich interessant finden. Logo!

Es sollte anders kommen. Ein kleines Volontariat bei der heimischen Gazette hatte mich schnell geheilt, denn das Journalistenleben der Kollegen dort hatte wenig mit meiner coolen Vorstellung gemeinsam.

Jahre später, ich war schon lange sozusagen im Sattel der Veränderungsmanagerin, wurde es mal richtig schwierig für mich. Ein Chef, der mich einfach doof fand. Ist doof, kommt aber vor. Solche Phasen muss man mal erlebt haben, sehr, sehr lehrreich. Ich sollte eine neue Aufgabe bekommen und die Kommunikation übernehmen (die war nicht das, was sie heute ist). Ich erinnere mich, äußerst empört und gekränkt reagiert zu haben: „Ich bin doch keine Karla Kolumna!“, was soll ich sagen, ich wurde es. Aber ich hatte die Lacher auf meiner Seite.

Nach einer kurzen Phase der Trauer und des gepflegten Selbstmitleids fand ich mich, darin wälzend, selber ziemlich doof. Ein Leben in der Beschwerde fühlte sich für mich weder gut an noch mochte ich mich so. Als zusätzlicher Faktor kam dann noch die Langeweile hinzu. Ich hatte mehr Energie als Aufgaben. Mir als Energiebolzen fiel das wirklich schwer. Aber bald merkte ich, dass die Langeweile die „Weile“ beinhaltete. Eine „Weile“ zu haben heißt letztendlich Zeit zu haben… und Zeit ist doch eine so wunderbar wertvolle Ressource.

Also legte ich los. Ich fing an zu Flanieren… ich fing dort an, wo ich war: Ich versenkte mich hier, vernetzte mich dort, rannte, suchte, fand etwas, quatschte, dachte… ein Stück zurück, ah - schon hier abbiegen… Kurz gesagt, ich erinnerte mich meiner Leidenschaft des ziellosen Schweifens und nutzte die folgende Zeit, mich neu zu erfinden.

Im Nachhinein hätte man mir kein größeres Geschenk machen können. So hatte ich nicht nur die freudige Pflicht viel zu schreiben, sondern es hat mich hineingeschubst in meine Verantwortung, mir eine neue Aufgabe zu bauen. Was hat es mir gebracht? Zunächst mal ein phantastisches neues Spielfeld, eine Leidenschaft, ein frohes neues JA! Darüber hinaus ein großes Maß an Gelassenheit. Ich brauche vieles nicht mehr: kein Zukunftsversprechen, ich brauche keine Ziele, ich brauche keine von anderen gesetzten Aufgaben. Ich weiß inzwischen, was in meinem Feld zu tun ist, was ich mit meiner Mannschaft tun kann. Und – ganz wichtig - ich habe den Wert von `Lernen durch Verlust` spüren und schätzen gelernt.

Manchmal helfen diese ungeplanten, nicht gewählten und auch schwierigen Events im Leben, die einen final richtig weiterbringen. Ich glaube, das ist Haltungsentwicklung. Ich weiß heute, dass ich das kann. Wahrnehmen, weinen, Wunden lecken, … (neu erfunden) weitermachen. Gutes Rüstzeug in der verrückten Welt heute.

Danke L.!

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